Der Aufenthalt im ZBA hat mir gutgetan

Nico Rüttimann erlitt im Jahr 2021 durch einen Snowboardunfall ein Schädel-Hirn-Trauma. Im April 2022 startete er im ZBA mit einer dreimonatigen beruflich-medizinischen Abklärung. Im Anschluss fand eine vertiefte Abklärung möglicher Berufsrichtungen statt, in der Nico Rüttimann die Chance nutzte, in unterschiedlichen Betrieben Schnuppereinsätze zu machen. Daraus entstand für Nico Rüttimann die Möglichkeit bei der Gärtnerei Silvedes AG ein Arbeitstraining zu absolvieren, das bis heute andauert.

Was erzählen Sie einer aussenstehenden Person über Ihre Zeit im ZBA?
Ich habe das ZBA ausgewählt, weil es auf Menschen mit Hirnverletzung spezialisiert ist. Der Alltag im ZBA war sehr anstrengend. Es war wie ein Gedächtnistraining über mehrere Stunden. Es ist immer schwierig, Aussenstehenden zu erzählen, was ich im ZBA gemacht habe. Ich versuche unterschiedliche Aufgaben zu schildern.

Welche einzigartigen Erfahrungen und Impulse aus der Zeit im ZBA haben Sie persönlich am stärksten geprägt?
Ich habe Einschränkungen erkannt, welche ich zuvor nicht wahrgenommen habe. Das war eindrücklich. Ich glaube, dass ich dies nur dank Rückmeldungen der Berufsabklärerin erkennen konnte. Geprägt haben mich zusätzlich die anderen Rehabilitanden. Jeder hatte seine eigenen, individuellen Einschränkungen und Erfahrungen im Umgang damit gesammelt. Der Austausch in den Pausen hat mir gezeigt, dass ich mit meinen Einschränkungen noch Glück habe.

Eine neue Erfahrung war für mich, dass ich es schätzen gelernt habe allein zu sein. Das WG-Zimmer in Luzern bot mir einen Rückzugsort, an dem ich mich erholen konnte. Zeit mit mir zu verbringen, habe ich zuvor nie gemacht. Es tat mir aber sehr gut, deshalb mache ich es weiterhin.

Was davon nehmen Sie in Ihr zukünftiges Berufsleben mit und wie zeigt sich das konkret?
Ich habe gelernt, dass ich die Arbeitsaufträge genau lesen muss und erst nachdem ich mir einen Plan für mein Vorgehen überlegt habe, mit dem eigentlichen Auftrag beginne. Sonst mache ich viele Fehler, was mich anschliessend sehr wütend macht, da ich gute Arbeit leisten möchte.

Sie absolvieren einen Arbeitsversuch in der Firma Silvedes Terrassengestaltung in Brütten (in einer Gartenbaufirma). Was ist aus Ihrer Sicht für ein gutes Gelingen und eine optimale Zusammenarbeit wichtig?
Gegenseitige Offenheit, sodass nicht gedacht wird, ich könne alles. Ich muss konzentriert zuhören, was die Aufgabe verlangt und in welcher Qualität diese ausgeführt werden muss. Sehr wichtig ist auch, dass die anderen Mitarbeiter über meine Hirnverletzung Bescheid wissen und nicht zu viel erwarten. In meinem Team wissen alle, dass ich mehr Pausen benötige, weniger Stunden am Tag leisten kann und manchmal unabsichtlich Flüchtigkeitsfehler mache. Dadurch haben sie ein Verständnis entwickeln können. Zusätzlich war auch wichtig, dass das ZBA im Vorfeld meinem Arbeitgeber gut Auskunft über meine Situation gegeben hat. Ich merke, dass mein Chef dadurch konstruktiv mit mir an den Problemen arbeitet, wenn manches nicht immer sofort funktioniert.

Was denken Sie, ist für Arbeitgeber in der Zusammenarbeit mit Menschen mit einer Hirnverletzung wichtig zu wissen?
Wichtig ist für mich, dass die Arbeitgeber wissen, dass obwohl man Menschen mit Hirnverletzung häufig nichts ansieht oder auch in Gesprächen nichts anhört, Probleme vorhanden sind. Diese Defizite haben aber nichts mit meiner Motivation zu tun, sondern dass es in manchen Fällen einfach nicht geht. Zum Beispiel ist es für mich sehr schwierig, pünktlich zu sein. Dies hat aber nichts mit meiner Arbeitsmotivation zu tun. Ich gehe gerne arbeiten und mag meinen Job sehr und trotzdem komme ich gelegentlich spät, weil ich nicht gut abschätzen kann, wie viel Zeit ich benötige bis ich am Arbeitsplatz bin. Zudem habe ich eine schnelle Ermüdbarkeit. Nach sechs Stunden bin ich so müde, dass ich mich nicht mehr konzentrieren kann. Ich würde gerne normal, wie die anderen im Team, arbeiten.

Hat Ihre Hirnverletzung auch Auswirkungen auf Ihr Privatleben? Was hat sich verändert?
Ich habe deutlich weniger Energie als meine Freunde. Dies fällt dann auf, wenn ich sehe, wie intensiv die anderen im Fitness trainieren können und ich nicht. Nach dem Training habe ich häufig Kopfschmerzen und habe manchmal nicht mal mehr Energie ein WhatsApp zu schreiben. Zusätzlich hat sich meine Regenerationszeit verlängert. Am Tag nach dem Training benötige ich jemanden, der mich weckt und zum Aufstehen motiviert. Zusätzlich benötige ich einen 30-minütigen Mittagsschlaf, damit ich für die Arbeit am Nachmittag Leistungsfähig bin.

Welche neuen Ressourcen und Stärken haben Sie bei sich nach Ihrem Ereignis entdeckt oder entwickelt?
Ich habe mich durch den Unfall besser kennen gelernt. Ich nehme mir jetzt mehr Zeit für mich und bin gerne auch Mal zu Hause. Im Umgang mit Mitmenschen bin ich feinfühliger geworden. Ich höre anderen gerne zu, wenn sie Probleme haben und bin für sie da. Das habe ich vor dem Unfall viel weniger gemacht.

Was würden Sie Menschen, die kürzlich eine Hirnverletzung erlitten haben, mit auf den Weg geben?
Lassen sie sich viel Zeit, sich wieder kennenzulernen. Es dauert Monate sich zu regenerieren und zu lernen, mit den Defiziten umzugehen. Wichtig dabei ist, sich selbst nicht zu verurteilen und gut auf das Bauchgefühl zu hören. Zudem sollten sie nicht enttäuscht sein, wenn einiges nicht mehr so ist wie zuvor. Ich selbst bin auch noch auf dem Weg, es ist nicht immer einfach, aber es geht mit jedem Tag besser.

Was Sie sonst noch sagen wollten……
Ursprünglich wollte ich nicht nach Luzern kommen, aber der Aufenthalt im ZBA hat mir gutgetan. Ich war sechs Monate auf mich allein gestellt (keine Eltern in der Nähe). Das hat mich einen grossen Schritt selbstständiger gemacht. Die Rückmeldungen, die ich zu meiner Arbeit bekam, haben mich auf meine Probleme hingewiesen. Insgesamt konnte ich für meine Zukunft viel profitieren.